Topologische Effekte in 2D- und 3D-Systemen

Die Topologie ist ein Zweig der Mathematik, der sich damit beschäftigt, wie sich Formen verändern können, ohne zu brechen oder zu reißen. Doch mit der Entdeckung des Quanten-Hall-Effekts fanden Wissenschaftler heraus, dass bestimmte Materialien, so genannte topologische Isolatoren, auch mit einem Konzept aus der Topologie beschrieben werden können. In diesen Materialien charakterisiert eine besondere Eigenschaft, die so genannte topologische Invariante, die Existenz robuster Oberflächenzustände, die gegen Defekte und Unordnung im System immun sind.

Kürzlich wurden diese geschützten Randzustände auch in der Photonik entdeckt, wo sie eine robuste Lichtübertragung, eine bessere Datenübertragung und verbesserte optische Geräte versprechen. Außerdem können photonische Modellsysteme das Verhalten von Elektronen in topologischer kondensierter Materie nachahmen. Indem wir die grundlegenden Eigenschaften topologischer Phasen untersuchen, wollen wir Erkenntnisse über das kollektive Verhalten von Elektronen und die Entstehung exotischer Quantenzustände gewinnen.

Die Kombination der Topologie mit der 3D-Mikrodrucktechnik ermöglicht die Herstellung von Quantensimulatoren, also winzigen Geräten, die für die Grundlagenforschung eingesetzt werden können. Aufgrund der mikroskopischen Größe und der schnellen und einfachen Herstellung von 3D-Mikrodrucksystemen bietet sie außerdem die einzigartige Möglichkeit, topologische Effekte in praktische Anwendungen umzusetzen.


Wellenleiter-Systeme

 

Modellsysteme aus photonischen Wellenleiterarrays eignen sich ideal für die Quantensimulation in zweidimensionalen Systemen, da die Beschreibung der Lichtausbreitung in solchen Systemen (die paraxiale Helmholtz-Gleichung) mathematisch äquivalent zu derjenigen der Elektronenbewegung in 2D-Materialien (die Schrödinger-Gleichung) ist. Wir haben eine neue Plattform für evaneszent gekoppelte Wellenleiterarrays entwickelt: Die Umkehrung des gewünschten Wellenleiterarrays wird im 3D-Mikrodruckverfahren hergestellt. Die Hohlräume werden dann mit einem anderen Polymer mit einem etwas höheren Brechungsindex infiltriert, um Wellenleiter zu erzeugen. Dieser Infiltrationsschritt ermöglicht eine große Flexibilität bei der Gestaltung der Wellenleiterarrays im Vergleich zu bestehenden Systemen. So kann beispielsweise der Brechungsindex der Wellenleiter über einen weiten Bereich eingestellt werden und es können auch Materialien mit Kerr-Nichtlinearität in die Wellenleiter integriert werden. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Ausbreitungsachsen der Wellenleiter beliebig geformt werden können - so lassen sich zum Beispiel spiralförmig gekrümmte Wellenleiter herstellen und alle Wellenleiter im Gitter individuell gestalten.

Aktuelle Projekte

 

Derzeit erforschen wir die Auswirkungen höherer Wellenleitermoden in solchen Wellenleitergittern. Wir wollen herausfinden, wie wir die höheren Moden und den Bahndrehimpuls des Lichts für eine schaltbare und genauere Quantensimulation nutzen können.

Wir arbeiten auch an der Integration nichtlinearer Materialien in photonische 3D-Strukturen. Hohe optische Nichtlinearitäten in photonischen Strukturen sind z. B. wichtig für optische neuronale Netze, rein optische Schaltvorrichtungen und interessante neue physikalische Eigenschaften von Metamaterialien. Zu den spezifischen Forschungsfragen gehören Soliton-basierte topologische Zustände: Solionenkollisionen in topologischen Thouless-Pumpen und interaktionsinduzierte topologische Phasenübergänge in Gittern mit räumlich modulierter Nichtlinearität.


Photonische (Quasi-)Kristalle

Während (lineare) 2D-topologische Systeme bereits eingehend untersucht wurden, ist über optische topologische 3D-Systeme relativ wenig bekannt. Bislang lag dies vor allem an den begrenzten Herstellungsmöglichkeiten. Die Technologie des 3D-Mikrodrucks eröffnet neue Möglichkeiten für die Untersuchung komplexer Strukturen in einem topologischen Kontext.

Wir nutzen auch die Dimensionserweiterung in 1D photonischen Mehrschichtstrukturen, um höherdimensionale topologische Physik innerhalb einer einfachen photonischen Plattform zugänglich zu machen. Solche Systeme bieten auch die einzigartige Möglichkeit, „unphysikalische“ inhomogene Magnetfelder oder Randbedingungen anzuwenden.

 


Photonisches Quantencomputing

Gemeinsam mit dem DFKI untersuchen wir derzeit, wie sich Algorithmen für das Quantencomputing so verändern lassen, dass sie in photonischen Computerchips sinnvoll eingesetzt werden können.


Ausgewählte Referenzen

[1] J. Schulz, S. Vaidya, and C. Jörg, Topological photonics in 3D micro-printed systems. APL Photonics 6, 080901 (2021).

[2] Bachelor thesis Alaa Bayazeed, TU Kaiserslautern 2020.

[3] C. Jörg+, S. Vaidya+, J. Noh, A. Cerjan, S. Augustine, G. von Freymann, and M. C. Rechtsman, Observation of the Splitting of Charge-2 (Quadratic) Weyl Points in Near-Infrared Photonic Crystals. Laser & Photonics Reviews 16, 2100452 (2022).

[4] S. Vaidya+, C. Jörg+, K. Linn, M. Goh, M. C. Rechtsman, Reentrant delocalization transition in one-dimensional photonic quasicrystals. Phys. Rev. Research 5, 033170 (2023).